Open Hardware & 3D-Druck als Mittel zur Verbesserung der Reparatur
Daniel Erichson unterstützt die Initiative 3D-Reparatur.de mit dem Design von Ersatzteilen und seiner Expertise im Bereich aktueller Gesetzgebung. Wir haben mit ihm über die Möglichkeiten von offenem Ersatzteildesign und lokalem 3D-Druck für die Langlebigkeit von Produkten gesprochen. Denn hier zeigt sich das Potenzial von Open Hardware ganz praktisch.
Ersatzteile sind oft ein Problem, wenn es um die Reparatur bzw. das Erhalten von Technik geht. Wie groß ist es genau? Gibt es Zahlen, insbesondere zur Verfügbarkeit von Ersatzteilen sowie den damit verbundenen Reparaturausfällen?
Dazu gibt es leider keine gute Datenbasis, da es nicht unabhängig kontrolliert wird. Wirklich wissen, wie es um die Ersatzteilverfügbarkeit bestellt ist, tun das daher nur die Hersteller. Unabhängig davon gibt es Produktgruppen, für die überhaupt keine Ersatzteile oder nur größere Funktionsgruppen verfügbar sind. Dieses Problem versucht man in der Ökodesign-Richtlinie zu adressieren. Diese Regeln sind alledings nur für Produkte gültig, die nach der Ökodesign-Richtlinie verkauft wurden. Was passiert mit den Produkten, die schon jetzt auf dem Markt sind? Wie erhalten wir sie? Darauf gibt es aktuell wenig Antworten. Die 3D-Reparatur kann dafür eine Lösung darstellen, die noch zu wenig wahrgenommen wird.
Allerdings ist die Entscheidung, etwas nicht zu reparieren, nicht alleine von vorhandenen Ersatzteilen (und dem Preis dieser) abhängig. In der Regel kommen da viele Sachen zusammen, wie in zahlreichen Studien festgestellt wurde.
Auf 3D-Reparieren.de stellen wir ein Formular zur Verfügung, über das sich Menschen melden können, wenn ihnen ein 3D-Design für ein Ersatzteil fehlt. Oft sind es Zahnräder von Küchengeräten, für die ein Design benötigt wird. Aktuell ist es zum Beispiel ein Teil einer alten Fahrradschaltung. Wie groß das Potenzial des 3D-Drucks für die Reparatur ist, wissen wir allerdings nicht so genau, weil uns einfach empirische Daten fehlen.
In Frankreich ist man etwas weiter. Eine der führenden Elektronikläden, FNAC-Darty, hat ein Barometer, das Verbraucher und Verbraucherinnen über die Haltbarkeit ihrer Produkte und auch die Verfügbarkeit der Ersatzteile aufklärt. Der Elektronikhandel sammelt diese Daten beispielsweise über einen Servicevertrag für Haushaltsgeräte, sozusagen ein Rahmenvertrag für Reparaturdienstleistungen. Menschen, die ein Abo abgeschlossen haben, können jedes kaputte Gerät zur Reparatur bringen, ohne weitere Kosten. Aber natürlich nur solange noch (neue) Ersatzteile verfügbar sind.
Ihr arbeitet daran Ersatzteile durch die 3D-Reparatur zugänglicher zu machen, was macht ihr konkret?
Wir haben z.B. in Repair Cafés Ersatzteile mittels CAD (computer-aided design) nachgezeichnet, mit einem 3D-Drucker ausgedruckt und damit Produkte repariert. Das ist oft sehr aufwändig. Viele Designs sind einfach komplex und es dauert lange. Die Erkenntis reifte, dass wir uns mehr auf die Hersteller konzentrieren sollten, denn die haben ja die Daten.
Was bräuchte es, um das Problem strukturell zu verbessern?
Es braucht eine Datenbank, die Ersatzteil-Designs zur Verfügung stellt, auf die jeder Zugriff hat – es geht also um Open Hardware Designs. Dabei geht es besonders um druckbare Ersatzteile. Der Hersteller kann so auch noch selbst Ersatzteile fertigen, aber der Markt ist auch geöffnet für andere Akteure. Zum Beispiel können lokale Unternehmen oder Initiativen mit 3D-Druckern (wie Offene Werkstätten) Teile direkt ausdrucken. Das hat viele Vorteile. Desto näher die Ersatzteilherstellung am Reparateur ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass repariert wird. So würden viel mehr Ersatzteile auf Nachfrage produziert werden, weil die Designs dezentral verfügbar sind. Dadurch steigt die Verfügbarkeit und der Preis sinkt – klassische Marktmechanismen würden hier potenziell greifen. Analog hat das schon mal funktioniert, mit der Liberalisierung des KFZ-Ersatzteilmarktes Anfang der 2000er.
Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass Hersteller dazu verpflichtet werden müssen. Solange sie gut eingepreiste Ersatzteile zur Verfügung stellen, gibt es ja erstmal keine Probleme. Aber wenn sich diese Situation ändert, z.B. weil es sich nicht mehr lohnt oder der Hersteller sogar vom Markt verschwindet, dann sollten die Designs unbedingt veröffentlicht werden. Denn am Ende geht es im Sinne einer Kreislaufwirtschaft darum, dass Ersatzteile möglichst lange physisch (für immer in digitaler Form) zur Verfügung stehen.
Hier sind natürlich viele Modelle denkbar, auch in Kombination mit schon bereits bestehenden Regelungen, wie der Ökodesign-Richtlinie.
Was passiert dazu in Deutschland? Woran sollten wir uns orientieren?
In Frankreich gibt es bereits eine sehr fortgeschrittene Rechtssprechung. So ist der Hersteller nach Artikel L111-4 des Verbrauchergesetzbuches auskunftspflichtig, was die Verfügbarkeit von Ersatzteilen angeht. Dadurch ist eine Kontrollmöglichkeit geschaffen worden. Wenn ein Ersatzteil nicht verfügbar ist und mit einem 3D-Drucker nachgedruckt werden kann, muss der Hersteller das Design zur Verfügung stellen. Leider fehlt für die Umsetzung noch ein Dekret. Außerdem ist unklar, wer die Designs dann genau verwenden darf. Außerdem können solche Anfragen nur Reparaturbetriebe (z.B. auch Reparaturinitiativen) stellen, keine Privatpersonen.
In Deutschland passiert da noch wenig. Vor einem Monat wurde vom Umwelt Bundesamt (UBA) ein Auftrag für eine Studie vergeben, die sich mit Grundsatzfragen in Bezug auf eine anstehende Änderung der Ökodesignrichtlinie beschäftigen soll. Man wartet hier auf Brüssel und zieht sich auf die Position zurück, dass man nur auf EU-Ebene agieren sollte. Wie genau der deutsche Beitrag als immerhin größte Industrienation in Europa aussehen wird, konnte ich bis jetzt noch nicht erkennen. Nach Gesprächen, die ich mit dem UBA geführt habe, wusste man noch nicht mal von der Regelung in Frankreich, die immerhin schon seit Februar 2020 verabschiedet wurde.