MNT Research: Retrocomputing als Zukunftsvision
Lukas Hartmann hat die Firma MNT Research gegründet, die unter anderem den ersten komplett freien Laptop entwickelt hat – reparierbar und vollständig dokumentiert. Im Interview spricht Lukas darüber, warum Open Hardware für ihn wichtig ist und welche Beharrungskräfte der Chiphersteller kleinen Entwicklern wie MNT Research das Leben schwer machen.
Du entwickelst schon seit über sechs Jahren Open Hardware und gehst Risiken ein: Was ist deine Vision, was treibt dich an?
Ausschlaggebend war der Gedanke, dass es Computer geben muss, die frei sind, so wie freie Software. Ich hatte damals angefangen Linux ernsthaft zu nutzen, weil mich genervt hat, dass Apple immer stärker Freiheiten einschränkt. Mich hat auch gestört, dass die Geräte immer reparaturfeindlicher gebaut werden. Beides hat ähnliche Wurzeln: den Willen seitens der Hersteller, zu kontrollieren. Das macht Geräte immer mehr zum Mietobjekt, was nicht sein kann. Denn Computer sind essenzielle Werkzeuge, um an Wissen zu kommen, um zu kommunizieren und um kreativ zu sein. Dafür muss es eine freie Alternative geben. So kam die Frage auf, wieso es diese freie Hardwareplattform für freie Software nicht gibt und ich entschied, sie zu entwerfen.
Dabei lag der Fokus nicht auf Performance, sondern auf dem MVP (Minimum Viable Product). Es ging also um die Frage, ob das überhaupt geht, einen Open Hardware Laptop zu bauen, den Menschen kaufen. Dabei sollten die wichtigsten Anwendungsfälle abgebildet werden, wie Mailing, Browsing und Officeanwendungen. Außerdem Stand im Mittelpunkt, dass die User*innen den Laptop wirklich ownen. Nach dem Motto: Da ist dein Computer, der gehört wirklich dir und wenn du magst, kannst du ihn sogar klonen. Meines Wissens ist der MNT Reform damit einzigartig. Es gibt auch andere Projekte, die schreiben Open Hardware drauf und veröffentlichen dann keine Design-Files. Bei uns ist wirklich alles verfügbar. Sollte es also unsere Firma mal nicht mehr geben, können andere das Gerät trotzdem weiterentwickeln. Daran arbeiten wir schon jetzt. Denn der MNT Reform soll eine Plattform sein, an der sich andere beteiligen.
Das ist ein großartiger Schritt in die richtige Richtung. Wie siehst du das global betrachtet: Inwiefern hat Open Hardware Fort- oder Rückschritte gemacht?
Der klassiche Desktop Computer ist als Plattform noch relativ offen. Aber insbesondere bei den mobilen Geräten haben wir große Rückschritte gemacht. Das Fairphone wird hier ab und an als gutes Beispiel angebracht. Aber die Komponenten sind nicht offen dokumentiert, sondern geheim. Es ist also nicht möglich, Ersatzteile selbst zu fertigen oder Teile weiterzuentwickeln. Es bleibt also ein geschlossenes System.
Unser Ansatz orientiert sich am Retrocomputing. Damals waren die Plattformen noch wesentlich offener. Das hat dazu geführt, dass noch heute Amiga und C64 weiterentwickelt werden. Das geht nur, weil Schaltpläne verfügbar sind und die Geräte transparent entwickelt wurden.
Manche sagen: Open Hardware geht nicht kommerziell. Was sagst du denen?
Die Frage ist, was hinter solchen Äußerungen steckt. Wahrscheinlich geht es oft um Ängste, zum Beispiel, dass das Endprodukt geklont wird und andere davon profitieren. Aber es geht ja nicht nur um das Material, was ich verkaufe. Dazu gehören ja eine Marke, ein Ökosystem und Serviceleistungen. Ich denke nicht, dass Open Hardware schwieriger ist zu kommerzialisieren, als ein geschlossenes Produkt. Es kommt ja nur auf das Geschäftsmodell an. Wirklich schwierig ist es, überhaupt Hardware zu entwickeln, die später jemand kaufen will.
Was hälst du von dem Gedanken, dass Open Hardware leichter kommerziell zu realisieren ist, als Open Software? Denn bei Hardware ist ja immer auch eine Infrastruktur nötig und das Einhalten von Normen. Die Produktion von großen Stückzahlen ist auch eine Wissenschaft für sich. All das kann nicht jeder einfach nachmachen, nur weil eine Dokumentation vorliegt.
Ja, da ist sicherlich etwas dran. Unabhängig davon würde ich immer zur Open Hardware Alternative greifen, wenn es sie gibt. Denn als Kunde haben ich ja wesentlich mehr davon, weniger Hürden und kann wirklich sehen, was ich für mein Geld bekomme. Alleine das sollte auch schon ein Vorteil gegenüber den geschlossenen Konkurrenten sein.
If ever a metaphor for the Tech industry existed in real life pic.twitter.com/qhPEl8QjX8
— Jason Scott (@textfiles) February 11, 2022
Warum mangelnde Transparenz die Umwelt belastet und Verbraucher*innen täuscht: eine externe Festplatte, die eigentlich zwei Schrauben, Heißkleber und einen USB-Stick enthält.
Auf welche Probleme stößt du als Open Hardware Entwickler?
Wir haben Probleme mit Zulieferern, die mit Open Hardware nicht umgehen können oder die damit keine Erfahrung haben, zum Beispiel Intel. Die legen uns sehr viele Steine in den Weg. Sie haben eigentlich ein perfektes Modul für uns entwickelt, eine kleine Karte, auf der ein Prozessor und Ram verbaut sind. Damit könnten wir einen Intel Reform bauen. Doch es gibt nicht mal das Pin-Out von dem Connector öffentlich verfügbar. Um das zu bekommen sollten wir ein Non-Disclosure Agreement (NDA) unterschreiben und Telefonate führen. Am Ende haben sie uns dann doch keinen Zugriff gegeben. Diese geschlossene Denkweise ist besonders bei Chipherstellern noch stark vertreten. Es gibt kein Vorgehen für kleine (Open Hardware) Hersteller. Man wird auch häufig ignoriert, weil man zu kleine Stückzahlen abruft.
Ein anderes Problem ist das Referenzdesign. Wenn ich einen Schaltplan entwerfe und da Intel einbaue, dann darf ich den nach den NDAs von Intel gar nicht veröffentlichen, weil das Design strengenommen Elemente enthält, die Intel gehören. Zum Glück gibt es Unternehmen mit anderen Kulturen, wie NXP oder Rockchip, mit denen wir auch zusammenarbeiten.
Was braucht es, um Entwickler*innen wie euch zu unterstützen?
Eine Frage ist zum Beispiel, ob das, was wir machen, nicht zum Teil gemeinnützig ist. Zum anderen sehe ich Probleme im Förderwesen. Wir haben es überraschenderweise schwer, Förderungen zu erhalten. Dabei würden uns um die 60.000 € für die Entwicklung von Prototypen schon reichen. Auch haben wir Probleme Teil von größeren EU-Programmen zu werden oder davon zu profitieren, die eigentlich thematisch gut passen. Die Stärkung der Elektronikindustrie ist ja gerade in den Fokus geraten. Aber mit der Open Hardware Szene gibt es dazu keinen Austausch.
Dann könnte man das Recht auf Reparatur zu einem Recht auf Schaltplan ausweiten. Das würden dem Recht auf Reparatur, aber natürlich auch Open Hardware und dem was wir machen helfen. Und grundsätzlich sollte die Forderung “Public Money, Public Code” auch für Hardware gelten.