Offene FLOW-Zellen: wie Batterien reparierbar werden
In dieser Interviewserie stellen wir herausragende Open Source Hardware-Projekte vor. Dabei liegt der Fokus auf den Erfahrungen der Projektteams. Diesmal sprechen wir mit dem Flow Battery Research Collective (FBRC). Das besteht aus dem Chemiker Dr. Daniel Fernandez und dem Ingenieur Dr. Kirk Smith. Gemeinsam möchten sie FLOW-Batterien zugänglicher machen. Im Vergleich zu einem Akkumulator ohne Stoffaustausch liegt bei FLOW-Batterien eine aufwändigere Konstruktion vor, die neben Tank und Rohrleitungen mindestens zwei Pumpen für die Umwälzung der Elektrolyte samt den dafür nötigen Steuer- und Kontrolleinrichtungen benötigt. FBRC ist 2023 offiziell aus privater Initiative gestartet. Aktuell wird das Team von der NLnet Foundation gefördert.
Wie ist FBRC entstanden?
Wir sind recht unabhängig voneinander gestartet. Ich (Daniel) habe meinen PHD zu organischen Solarzellen in Spanien gemacht. Danach bin ich von der Wissenschaft in die Wirtschaft gegangen. Aber irgendwann vermisste ich die Wissenschaft und begann zuhause zu forschen. Ich begann 2019 Batterien zusammenzuschalten und das auf meinem Blog chemisting.com zu dokumentieren. Dabei entstand die Idee, an FLOW-Batterien zu arbeiten. So fand Kirk meinen Blog. Ich schrieb damals darüber, wie schwer es war, an die für FLOW-Batterien nötige Hardware zu kommen. Kirk las das und meldete sich, mir mit seinem PHD im Bereich FLOW-Batterien zu helfen. So begannen die ersten Tests. Dabei wurde klar, dass es bisher keinen einfachen Weg gab, eine FLOW-Batterie selbst herzustellen. Niemand konnte genau sagen, wie das geht. Natürlich gibt es Firmen und Forschungseinrichtungen, die daran arbeiten, aber die Informationen waren nicht zugänglich. Deswegen ist das Kernziel unseres Projektes, das zu ändern: Die Infrastruktur für den Betrieb von FLOW-Batterien zu demokratisieren. Es gibt bereits Open Source-Projekte, die sich z.B. auf die Zellen fokussieren. Die haben allerdings eine akademische Zielgruppen. Wir möchten, dass unser Design von allen nachgebaut werden kann, auch ohne akademisches Umfeld und damit auch Zugriff auf entsprechende Ressourcen. Das sind zum Beispiel Forschende wie ich, die sich nicht im akademischen System befinden, aber trotzdem an FLOW-Batterien arbeiten möchten.
Dazu haben wir ein Kit entwickelt, das alle Dinge bereitstellt, die für die Arbeit an FLOW-Batterien nötig sind. Dabei liegt aktuell der Fokus auf der Erforschung der Batterien, noch nicht auf der tatsächlichen Speicherfähigkeit. Langfristig wollen wir mehr: Open Source Hardware für den Kilowatt-Bereich. Aktuell geht es um wenige Milliwatt.
Es gibt viele, die an neuartigen Batterien arbeiten, was war eure Motivation?
FLOW-Batterien haben großes Potenzial, sind aber kompliziert in der Technik. Es gibt verschiedene Firmen, die FLOW-Batterien entwickeln und zum Teil auch vermarkten. In der Regel sind das Batterien für industrielle Zwecke, nicht für Privatkunden. Für uns war oft nicht klar welche Resultate die Firmen erreichen. Taugen die Batterien etwas? Was kosten sie? Ich fand immer nur vielversprechende Marketingvideos, aber wenige konkrete Informationen.
Viele Menschen, die von diesen Videos und Versprechen begeistert waren, wollten die Batterien nutzen und die Technologie dahinter verstehen. Doch das ist eben nicht so leicht.
Hinzu kommt, dass viele Unternehmen, die mit großen Versprechen gestartet sind, pleite gehen und das von ihnen entwickelte Wissen verloren geht. Uns frustriert das, deswegen wollen wir das ändern.
Was sind die Vorteile von FLOW-Batterien? Warum können wir sie nicht im Baumarkt kaufen?
Es gibt durchaus FLOW-Batterie-Hersteller, die es geschafft haben. Es gibt sicher auch ein paar dieser Batterien in Kellern. Aber die Herausforderungen sind groß: FLOW-Batterien basieren auf sich bewegenden Flüssigkeiten. Damit einher geht ein recht komplexer und anfälliger technischer Aufbau, der bei statischen Batterien nicht gegeben ist. Das System muss sehr dicht sein, die Materialien chemisch resistent und die Flüssigkeiten dürfen nicht austreten, denn es handelt sich um Chemiekalien, die potenziell giftig sind. Am Ende sind es Klemptnerprobleme. Daneben gibt es andere Herausforderungen. Beispielsweise darf das Elektrolyt nicht rückwärts laufen, das Erzeugt Kurzschlüsse. Die meisten Patente im Bereich der FLOW-Batterien basieren auf diesem Problem.
Viele der Firmen sind daran gescheitert, diese Herausforderungen zu meistern. Da alle propretietär daran gearbeitet haben, wissen wir nicht genau, woran sie gescheitert sind. Die Firmen gehen Pleite, weil das Lösen der technischen Probleme sehr viel Geld kostet. Dafür müssen sie Schulden aufnehmen. Das Geld muss wieder eingenommen werden. Bisher lag der Fokus aber nicht auf großen Stückzahlen, sondern eher auf sehr großen Speichern für die Industrie. Diese sind wesentlich teurer. Dazu kommen hohe Kosten für Haftung und Markeinführung, die es schwierig machen, FLOW-Batterien kostengünstig auf den Markt zu bringen.
Das sind die Probleme, kommen wir zu den Vorteilen. Wir finden FLOW-Batterien gut, weil sie nicht wie z.B. Lithiumbatterien von Nanomaterialien abhängig sind, die 10 Jahre lang perfekt zusammenarbeiten müssen und dann zu Müll werden. FLOW-Batterien sind wartbar und reparierbar. Es sind gewissermaßen offene Systeme. Es werden in der Regel keine Nanomaterialien benötigt und die Batterien bestehen aus separaten Komponenten, Pumpen, Schläuchen etc. Du kannst Teile austauschen. Du kannst sie verstehen und selbst warten. Und du kannst die Elektrolyte tauschen und damit auch die Batterie erneuern und sogar verbessern. Es sind also wesentlich demokratischere und nachhaltigere Batterien.
Lithiumbatterien können wir nur noch entsorgen und dann müssen die Materialien aufwändig extrahiert werden. FLOW-Batterien geben Power to the User und sollten daher auch als Open-Source-Lösung existieren. Bisher gibt es die allerdings nicht. Wir sind komplett von geschlossenen Systemen abhängig. Es wäre toll, eine offene Batterieplattform zu haben, auf der wir neue chemische Elektrolytlösungen entwickeln und gemeinsam bessere Batterien bauen können.
Woran scheitern die Unternehmen genau?
Die Ideen von FLOW-Batterien ist schon älter, man arbeitet seit den 1960er Jahren daran. Sie wurden insbesondere aus der Wissenschaft heraus entwickelt. Dabei kam es allerdings zu oft dazu, dass noch unreife Prototypen patentiert und skaliert wurden, aus dem Wunsch heraus, Transfer in die Wirtschaft stattfinden zu lassen. Prinzipiell kann man das mit FLOW-Batterien machen. Denn sie sind gut skalierbar, die Funktionalität einer kleinen Batterie kann auf eine große Version mit vielen Zellen übertragen werden. Allerdings entstehen dabei – wie weiter oben erklärt – viele ingenieurswissenschaftliche Probleme, die wissenschaftlich nicht besonders interessant, aber wirklich schwierig zu lösen sind. Es sind auch Probleme, die eine junge Firma nur mit hohem zeitlichen und finanziellen Aufwand lösen kann, was schwierig ist, da sie schnelle Erfolge erzielen muss. Und dann scheitern sie.
Warum sind Lithiumbatterien im Gegensatz so stark verbreitet? Eigentlich müssten sie wegen des Lithiums doch teurer sein.
Lithium-Batterien versprechen durch ihre Neuheit Innovation. Sie sind günstig und dominieren den Markt. Es ist schwer, in diesem Umfeld eine Neuentwicklung einzuführen, die solche Herausforderungen hat, wie das Prinzip der FLOW-Batterie. Das sind keine Plug and Play-Produkte. Es braucht einen Spezialisten, um das System zu installieren. Lithiumbatterien sind anders, kompakter und sie sind bereits in kleiner Ausführung als kommerzielles Produkt gestartet. Sie wurden früh massenweise gebaut und verkauft. Daraus konnte man viel lernen und die Technik dahinter perfektionieren. Auf der Grundlage stehen heute die großen Lithiumspeicher. Atomkraftwerke sind auch deswegen so teuer, weil wir sie so selten bauen und daher weniger lernen können. Ähnlich sieht es mit FLOW-Batterien aus. Damit sie sich lohnen, müssen sie größer gebaut werden, wir können nicht auf der Knopfzellenebene anfangen, wie bei Lithiumbatterien, weil sie dann zu wenig Leistung haben.
Ihr bezeichnet euch als Forschungskollektiv: Wie gut klappt das mit der Kollaboration?
Wir haben einige Menschen, die sich bei uns melden, seit dem wir über unsere Blogs an die Öffentlichkeit gegangen sind und jemand unser Projekt auf Hackernews veröffentlicht hat. Die Herasuforderung bei Hardware ist immer, dass es um physische Dinge geht, und nicht einfach ein Repository geclont werden kann, um mitzumachen. Deswegen ist die Dokumentation so wichtig. Daher haben wir uns darauf konzentriert. Wir haben Wissenschaftler, die sich am Projekt beteiligen. Neulich kam beispielsweise jemand ins Forum und schrieb, dass er noch nicht an FLOW-Batterien gearbeitet hat, aber den Eindruck hat, dass unsere Open-Source-Plattform dafür ein guter Start ist. Und genau so ist es gedacht.
Unser Kit soll den Einstieg erleichtern. Aktuell muss man sich das noch selbst zusammenstellen. In der nächsten Zeit planen wir das Kit auch zu verkaufen. Das vereinfacht den Einstieg dann möglicherweise nochmal. Denn ein paar 3D-Druck-Kenntnisse und handwerkliches Geschickt sind trotzdem nötig, um den aktuellen Aufbau nachzubauen. Auch wenn wir uns bemüht haben, leicht zugängliche Teile und Materialien zu nutzen. Das war auch in unserem Interesse, denn wir sind ja selbst nicht Teil einer Firma oder einer wissenschaftlichen Einrichtung. Die Materialien müssen also auch für uns verfügbar sein.
Dabei haben wir darauf geachtet, dass das Design auch in nicht EU- oder westlichen Ländern nachgebaut und damit geforscht werden kann. Denn FLOW-Batterien können aktuell nur mit hohem technischen Aufwand und damit hohen kosten und dadurch vor allem in westlichen Regionen beforscht werden. Unser Design ist dadurch vielleicht nicht am effektivsten, aber dafür leicht bzw. kostengünstig nachzubauen. Beispielsweise nutzen wir als Separator Fotopapier, das lange für Batterien verwendet wurde. Inzwischen gibt es bessere Materialien, die allerdings schwer zu bekommen sind. Das Fotopapier reicht aber aus, um an FLOW-Batterien zu forschen.
Warum arbeitet ihr an diesem Projekt in eurer Freizeit? War das Zufall oder beabsichtig?
Für mich (Daniel) war das intentional. Im wissenschaftlichen Rahmen, aus dem ich komme, wäre ein solches Projekt nicht interessant gewesen. Denn dort würde man nicht damit anfangen, eine leicht zugängliche Infrastruktur aufzubauen, sondern man würde bereits existierende, kommerzielle Systeme kaufen und mit diesen arbeiten. Die sind aber für Außenstehende oft unerreichbar. Wenn ich das selbst zuhause mache, dann gehe ich sicher, dass es andere auch können.
Wir (Kirk) haben zwar PHDs, aber wir sind keine Profs. Wir haben also nicht die gleichen Möglichkeiten, Ressourcen zu bekommen. Mit einem solchen Open-Source-Projekt laufen wir erstmal sehr gegen die klassische Art der wissenschaftlichen Arbeit, weil wir nicht auf das Patentieren fokussiert sind. Es gibt tolle Forscher, die tolle Open-Hardware-Projekte aus der Wissenschaft heraus machen. Doch wenn man es nicht geschafft hat, z.B. Prof. zu werden, dann ist es schwer, das auch zu tun.
Wenn etwas im Rahmen einer wissenschaftlichen Einrichtung entwickelt wird, hat man als einfacher Forscher kaum eine Handhabe über das, was man entwickelt. Es gehört erstmal der Einrichtung, für die man forscht. Ich (Daniel) hatte diesen Fall, dass ich etwas Open Source entwickeln wollte, es aber dann nicht gemacht habe, weil die Universität die IP-Rechte dafür gehabt hätte und das nicht gewollt hätte. Deswegen habe ich mich dagegen entschieden.
Seid ihr auf besondere Probleme gestoßen, weil ihr euer Projekt Open Source gestaltet habt? Wovon habt ihr gelernt?
Die meisten OSHW-Projekte basieren auf Elektronik, können auf KiCad zurückgreifen und sind damit nah an der Software. Das geht bei uns nicht, es ist ein Chemieprojekt. Solche Hardware kann nicht wie Software einfach geclont werden. Damit ist der Einstieg schwieriger. Auch die Iterationszyklen sind länger, als bei Software, es dauert einfach länger. Und das Aufkommen von Bugs passiert in der regel offline, dafür braucht es Möglichkeiten, das zu dokumentieren. Wir haben viel von OSHWA gelernt oder von Prototype Fund-Projekten. Auch der „Open Hardware Manufacturing Podcast“ hat uns geholfen, zu lernen, wie man ein gutes OSHW-Projekt macht.
Gibt es Zukunftspläne, soll daraus mal ein Produkt werden, das ihr vertreibt?
Bis zum Ende von 2025 möchten wir eine größere Batterie für den Kilowattbereich haben. Das ist ein ambitioniertes Ziel. Wir wollen dahin, weil eben auf dieser Ebene die echten Herausforderungen beginnen, von denen wir bereits erzählt haben. Es werden dann noch immer Batterien sein, die sich in der Entwicklung befinden, die für Forschungszwecke und nicht für den Heimbetrieb gedacht sind. Aber prinzipiell können alle kommen, und daraus ein kommerzielles Produkt machen. Das würden wir gut finden.
Aktuell sind wir zwei Menschen, mit Blogs, die ein Graswurzenprojekt machen. Menschen können uns spenden und die Arbeit unterstützen – alles weitere wird sich entwickeln.
