Energie selbst erzeugen, mit der offenen Kleinwindanlage Windkit
In der ersten Runde des Prototype Fund Hardware werden sechs Projekte gefördert. In dieser Interviewserie stellen wir sie vor. Diesmal sprechen wir mit dem Windkit-Team. Immanuel Dorn, Ingenieur für Erneuerbare Energien, Lukas Ferber, David Schnieders, Linus Unmüßig – alles Umweltingenieure – bauen an einer Open Hardware Windturbine. Das Interview wurde mit Immanuel und Lukas geführt
An was arbeitet ihr genau?
Wir bauen eine Kleinwindenergieanlage für die Versorgung von Inselsystemen. Das sind Netzwerke zur Versorgung mit Strom, die nicht an das allgemeine Stromnetz angeschlossen sind. Die Anlage lädt also z.B. Batterien auf, die dann durch einen Wechselrichter auch ganz normale Haushaltsgeräte versorgen können. Das Windrad hat eine Nennleistung von 400 W, durch die Batterien als Zwischenspeicher können kurzweilig aber auch höhere Leistungen über den Wechselrichter entnommen werden.
Angefangen haben wir mit Workshops zum Bau von Kleinwindenergieanlagen nach Plänen von Hugh Piggott. Dabei haben wir praktisches und theoretisches Wissen über verschiedene Gewerke vermittelt, aber natürlich auch über Windkraftanlagen insgesamt. Jetzt dokumentieren wir einen von uns weiterentwickelten Prototypen.
Windkraftanlagen sind eine verbreitete Technologie. Welche Vision verfolgt ihr mit eurem Gerät, für wen baut ihr es?
Die Firmen im Kleinwindbereich kommen und gehen, mit immer wieder ähnlichen Konzepten und Anlagen. Das hat zur Folge, dass immer wieder technische Lösungen verfallen, weil es z.B. keine Ersatzteile mehr gibt und keine Wartungsmöglichkeiten mehr bestehen. Deswegen heißt die Zukunft im Kleinwindbereich Open Source. Es wird nicht anders gehen, da es sich um eine Nischentechnologie handelt. Open Source Hardware ist ein guter Weg, um daran kollaborativ zu arbeiten und eine langlebige Lösung für alle zu schaffen. Daran arbeiten wir.
Unsere Anlage ist insbesondere für Menschen, die sich selbst mit Energie versorgen wollen. Dabei sollte es den Nutzenden nicht darum gehen, Geld zu sparen. Denn eine solche Anlage zu betreiben ist aufwendig. Die Menschen, die sie betreiben, müssen Lust darauf haben. Außerdem sollten sie ein technisches Grundverständnis mitbringen, insbesondere, um die Anlage zu bauen und zu warten. Der richtige Platz und Wind sollten auch vorhanden sein. Das klingt erstmal profan, aber vielen ist nicht klar, dass eine solche Anlage nicht überall funktioniert.
Ihr seid schon lange im Kleinwindbereich, was habt ihr aus der Zeit gelernt?
Viele Menschen überschätzen das Windpotenzial, was sie bei sich meinen vorzufinden und damit den Strom, den sie von einer Kleinwindanlage erwarten können. Auch gehen viele davon aus, dass sie ihr Windrad einfach aufstellen und es dann 20 Jahre lang läuft und Strom erzeugt. Nachbarn und Bauämter werden ebenfalls häufig überschätzt, was ihre Tolleranz für solche Anlagen angeht. Auch hier kann Open Source ansetzen und diese Erfahrungen ehrlich kommunizieren, die von vielen Startups immer wieder verzerrt dargestellt werden.
Ihr werdet sicher häufig gefragt, wieso ihr euer Design als Open Source zur Verfügung stellt, was antwortet ihr?
Wir haben viel gelernt aus Open-Source-Projekten. Daher sehen wir es auch in unserer Pflicht, Wissen wieder zurückzugeben. Es macht einfach Sinn, dass wir Erkenntnisse teilen und sie nicht immer wieder aufs Neue in der ganzen Welt gemacht werden müssen. Außerdem weiß ich auch aus eigenen Reparaturerfahrungen, dass es frustrierend ist, nichts über das Gerät zu wissen, was vor mir liegt. Ich habe mich schon oft über verklebte Gehäuse geärgert. Daher ist es mir auch aus Ressourcengründen wichtig, dass es mehr offene Hardware gibt. Ein veränderbares und gut dokumentiertes Produkt lässt sich einfach leichter reparieren und recyceln.
Euere Anlage bestand früher aus recycelten Teilen, der neue Prototyp ist anders, warum?
Genau, bei den Workshops haben wir viel auf recycelte Bestandteile gesetzt. Allerdings war es oft anspruchsvoll, das Passende zu finden. Zum Beispiel kam das Lager immer aus alten Autos. Die müssen erstmal vor Ort sein und auseinander genommen werden. Wenn eine Anlage überall gebaut und repariert werden können soll, ist es besser, auf Normteile zu setzen. Das sind Industrieteile, die an vielen Orten der Welt verfügbar sind. Daher sieht der neue Prototyp auch anders aus. Natürlich kann man noch immer auf vorhandene Ressourcen zurückgreifen. Aber so ist es erstmal niedrigschwelliger, die Windanlage nachzubauen und Ersatzteile zu finden.
Seid ihr auf besondere Probleme gestoßen, weil ihr euer Produkt Open Source gestaltet habt?
Ich würde weniger von Problemen, sondern eher über Herausforderungen sprechen. Zum Beispiel war es für uns recht aufwendig, erstmal die ganzen Normen und möglichen Teilen zu recherchieren, die für unsere Anlage in Frage kommen. Wir haben ja den Anspruch, den Nachbau möglichst leicht zu machen. Dabei geholfen haben uns auch Vorarbeiten, wie die DIN 3105, in der z.B. geregelt ist, wie eine Liste von Bestandteilen zu strukturieren ist und welche Mindestanforderungen an die Dokumentation der jeweiligen Komponenten gestellt wird. Das hat uns geholfen.
Insgesamt ist es anspruchsvoll, eine gute Dokumentation zu entwickeln. Wie strukturiere ich meine Entwicklung, dass sie durch meine Zielgruppe möglichst gut verstanden wird? Denn im Gegensatz zu Software, wo ich mir den Code herunterlade, den Compiler starte und der mir dann das Endprodukt, das Programm, zusammenbaut, ist bei Hardware der Mensch der Compiler. Was muss ich ihm vermitteln, dass er alle nötigen Informationen hat? Ich muss es für ihn verständlich aufschreiben. Das ist eine große Herausforderung. Normen helfen hier weiter, aber reichen nicht aus.
Außerdem ist es eine Herausforderung für Hardwareentwickler:innen, den Open-Source-Versionierungsprozess zu verstehen und auf Hardware zu übertragen. Das sind Tools, die aus der Softwareentwicklung kommen und oft ganz anders funktionieren, als Tools, die für die Hardwareentwicklung genutzt werden. Wenn wir diese Workflows nicht gut erklären, dann bleiben solche Dokumentationen einfach nur Nerds vorbehalten. Hier können wir sicher viel aus der Softwareentwicklung lernen, aber es braucht auch einige Anpassungen. Denn Kollaboration funktioniert im Bereich der Hardware einfach anders. Wir müssen viel mehr kommunizieren.
Welche Software braucht es denn?
Im Hardwarebereich nutzen wir sehr viele unterschiedliche Tools, die zum Teil nicht wirklich zugänglich sind. Open-Source-Alternativen sind zwar da, aber könnten von der Anwendung besser sein. Außerdem sind sie oft nicht miteinander kompatibel bzw. können nicht miteinander sprechen. Wenn ich z.B. in FreeCAD ein Rotorblatt designe und ich die Performance dann mit Qblade simulieren möchte, gibt es hier keine einfache Schnittstelle. Weder in die eine noch in die andere Richtung. Sowas gibt es in der Industrie bereits, hier können die Open-Source-Tools noch besser werden.
Außerdem ist es nicht leicht, kollaborativ an CAD-Designs zu arbeiten. Es bräuchte eine ähnliche Visualisierung wie im Softwarebereich, die Elemte hervorhebt, die ich in einem Design verändert habe. Z.B. sind alle Teile rot, die ich weggenommen habe und die, die ich verändert habe, grün. Aktuell laden wir eine neue Version hoch und müssen das aufwendig selbst entschlüsseln.
An solchen Dingen möchte ja die Open Toolchain Foundation arbeiten. Wir sind gespannt!
Ihr seid schon sehr weit mit eurem Projekt: Wie können sich andere beteiligen?
Aktuell wollen wir im Kernteam erstmal den Prototyp dokumentieren und veröffentlichen. Danach freuen wir uns über Menschen, die das Design nutzen und verbessern. Natürlich können Interessierte auch schon jetzt auf uns zukommen. Aber wir haben jetzt keinen konkreten Workflow, um sich strukturell zu beteiligen.
Gibt es Zukunftspläne, soll daraus mal ein Produkt werden, das ihr vertreibt?
Wenn die aktuelle Version fertig dokumentiert ist und eine Testanlage über einen längeren Zeitraum gute Ergebnisse geliefert hat, können wir uns vorstellen, einen Bausatz anzubieten. Aber dafür gibt es noch keinen konkreten Zeitplan. Uns ist erstmal wichtig, dass die Qualität stimmt. Es gibt einfach zu viele schlechte DIY-Anlagen.