20.Jun 2022

Offene Technologien & lösungsorientierter Journalismus: wie wir ins Machen kommen

Moritz Metz ist Audiournalist, Radioredakteur, Podcaster und Maker in Berlin. Seit 190 Folgen und acht Jahren produziert er die Selbermach-Sendung Netzbasteln im Deutschlandfunk Nova. Wir haben mit ihm über seinen Blick auf Open Hardware gesprochen und wie er durch Konstruktiven Journalismus Lösungswege aufzeigen möchte.

In deiner Sendung Netzbasteln präsentierst und probierst du viele Maker-Projekte. Was bedeutet für dich Open Hardware?
Offene Technologien sind für mich Dinge, die aus der Gesellschaft kommen und wieder für die Gesellschaft zur Verfügung stehen – wie das Rad. Damals hat noch niemand über Patente nachgedacht. Wahrscheinlich wurde es auch an verschiedenen Orten gleichzeitig erfunden und hat sich dann überall weiterverbreitet. Ich glaube, dass viele patentierte, verschlossene Gegenstände viel mehr Wirkung entfalten könnten und mehr Menschen zugute kämen, wenn sie offen dokumentiert wären und frei zur Verfügung stünden. Das sollte nicht nur für Software gelten oder Impfstoffe, sondern auch für Hardware, die ja eine viel längere Geschichte hat.

Open Hardware ist ja ein recht abstrakter Gegenstand, der aber viele hochaktuelle Bezüge hat. Wie machst du ihn greifbar?
Über Beispiele. Im letzten Jahr habe ich ein Lastenrad geschweißt, dessen Anleitungen frei im Netz zur Verfügung stand. Ich kann es leicht selbst reparieren und an meine Bedürfnisse anpassen. An solchen Projekten arbeiten viele Menschen, verbessern sie über die Zeit und partizipieren so an der Entwicklung. Dieser Austausch ist oft nur über das Internet möglich. So können internationale Gruppen dezentral daran arbeiten und ihr Wissen zusammentragen. Außerdem gibt das Internet auch die Möglichkeit, nötige Spezialteile zu bestellen, an fast jeden Ort der Welt. Open Hardware ist also etwas sehr analoges, aber auch undenkbar ohne das Digitale.

Für wen ist denn Open Hardware wichtig: die Laien oder technisch Versierten?
Sowohl als auch – je nach Gegenstand entstehen wichtige Zugänge. Eine technisch aufwändige CNC-Fräse ist möglicherweise eher etwas für die Versierten, die dann damit produzieren oder Workshops organisieren. Aber es kann ja auch ein einfaches Fledermaus-Haus sein, dessen Anleitung der NABU veröffentlicht, mit idealen Maßen für das Wohl der Tiere, das wir alle nachbauen können. Wenn wir wieder an das Rad denken und uns umschauen, nutzen wir schon lange solche offenen Technologien.

Oft hängt ja mit den Themen rund um Open Source auch mehr Engagement seitens der Bürger*innen zusammen. Arbeiten Aktivisten hier gegen Windmühlen?
Hoffentlich nicht. Es ist wichtig, Menschen zu motivieren, ihr Wissen strukturiert zu teilen und zu nutzen – dabei hilft jeder kleine Impuls. Viele entdecken und bauen spannende Dinge. Aber am Ende fehlt die Zeit für die Dokumentation oder auch der Mut, weil man als bescheiden/e Tüftler*in denkt: “Ach, das ist noch nicht perfekt.” Oder: „Diese Entwicklung ist doch sowieso ein Nischenthema, das ist der Aufwand nicht wert.“ Dabei ist es wichtig, zu zeigen und dabei zu unterstützen, wie man Anleitungen ohne großen Aufwand erstellt. Und es ist wichtig, Bürger*innen zu zeigen, dass es neben proprietären Gegenständen auch offene Alternativen gibt.

Was ist der Konstruktive Journalismus und wie trägst du dazu bei?
Es gibt sicherlich Menschen, die das besser erklären können, wie das Bonn Institut für Konstruktiven Journalismus. Grundsätzlich geht es darum, dass Journalismus nicht beim Darstellen von Problemen endet, sondern Ideen weitergibt und Lösungsansätze anbietet. Journalismus sollte also aufmerksam zuhören, Kritik üben, aber sich auch Zeit nehmen, Anregungen und Wege zur Lösung der Probleme aufzeigen. Zum Beispiel sollten wir nicht nur die Problematik steigender Strompreise hinweisen, sondern auch zeigen, wie Bürger*innen Strom sparen oder sich sogar mit Balkon-Solarpanelen selbst versorgen können. Es gibt viele gute Beispiele für Konstruktiven Journalismus und ich möchte mit Netzbasteln auch dazu beitragen. 

In Open Hardware steckt ja auch eine gesellschaftliche Vision. Inwiefern ist die Gegenstand deiner journalistischen Arbeit?
Ich versuche in unserem Podcast Netzbasteln möglichst viele offene Projekte zu zeigen, weil sie einfacher nachbaubar sind. Und natürlich möchte ich als öffentlich-rechtlicher Journalist nicht einzelne Unternehmen hervorheben, sondern offenes Wissen und Gemeingut bewerben, zu dem wir ja auch selbst beitragen, weil wir von der Gesellschaft finanziert werden.

Im Open-Source-Diskurs gibt es zwei Lager, die sich zum Teil in ihren Interessen sehr entgegenstehen: die Wirtschaft und die Zivilgesellschaft. Wir sehen meistens erst dann Entwicklung, wenn es wirtschaftliche Vorteile gibt. Wie schaffen wir es, dass die Zivilgesellschaft nicht zu kurz kommt?
Das ist keine einfache Frage – am Ende müssen beide Seiten profitieren. Ich kann nur von meiner naiven Vorstellung sprechen, wie es idealerweise sein könnte.  Ein Beispiel ist die Maslow CNC-Fräse. Das ist ein Open-Source-Projekt, für das es bereits kommerzielle Zulieferer gibt, für Teile, die nicht leicht selbst herzustellen sind. Gleichzeitig hat die Fräse eine große internationale Community, viele Menschen haben mit ihrem Enthusiasmus und jahrelanger Arbeit dazu beigetragen, diese Fräse überhaupt so weit zu entwickeln. Ich sehe also Potenzial für solche Ansätze.

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