11.Jul 2022

Critical Making, Diversität & Commons – ein Blick in die Makerszene

Helga Hansen ist Redakteurin beim MAKE Magazin und schreibt viel über die DIY-Szene, die sich vorwiegend mit Hardware beschäftigt. Wir haben mit ihr über die Rollen von Open Hardware in dieser Szene und weibliche Vorbilder gesprochen.

Du schreibst für die MAKE über Making. Woran bastelst du selbst gerne?
Ich gehöre zu den Menschen, die von allem ein bisschen was machen. Wobei ich besonders gerne repariere. Wie zum Beispiel Handys. Ich bin nicht so die Makerin, die sich immer neue Dinge ausdenkt. Ich erhalte lieber.

Making wird auch mit dem Drucken von bunten Plastikfiguren assoziiert. Inwiefern ist Making von öffentlichem Interesse?
Erstmal finde ich es gar nicht schlimm, wenn Dinge spielerisch sind oder vielleicht sinnlos erscheinen, weil andere Menschen sie häufig schon genauso gemacht haben. Denn oft erschließen wir uns in der Praxis einen Gegenstand und bekommen dann eine Vorstellung, was man damit noch machen kann.

Außerdem dauert im Bereich der Hardware alles länger, bis es überall angekommen ist. Nur weil jetzt manche 3D-Drucker haben bedeutet es nicht, dass die damit jetzt nur sinnvolle Dinge entwickeln. Sie müssen sich die Geräte auch erst einmal aneignen und das geht, indem man Designs aus dem Netz lädt und druckt oder ganz einfache Sachen des Alltags entwickelt. Bis ich weiß, wie ich richtig konstruiere, es in guter Qualität drucke und so weiter, vergeht einfach Zeit. Und so ein Drucker ist eben auch nicht mal eben aus dem Netz heruntergeladen. Er muss angeschafft, transportiert und aufgebaut werden. Das unterscheidet den Hardware-Bereich von dem der Software.

Wie stehst du vor dem Hintergrund des Spielerischen zu Critical Making?
Lange war es sehr einfach, Dinge zu kaufen und, wenn sie nicht mehr funktionieren, wieder wegzuwerfen und neuzukaufen. Aktuell ist vieles knapp. Dadurch entsteht eine ganz andere Motivation, sich mit Technik auseinanderzusetzen. Denn sie kann nicht mehr so leicht ersetzt werden. Das ganze Technologie-System ist dadurch in eine Situation geraten, in der die Frage im Raum steht, wie wir da rauskommen. Ich denke, dass Offene Werkstätten dabei eine zentrale Rolle spielen und von diesem spielerischen Image wegkommen können. Denn so Stichworte wie Kreislaufwirtschaft und lokale Produktion kennen wir schon lange. Doch jetzt ensteht der Druck und der Wille, das umzusetzen. Es ist wichtig, dass wir diesen Prozess kritisch begleiten und dabei kommt Critical Making ins Spiel.

Wie wichtig ist dafür Open Hardware, insbesondere auch aus dem Blickwinkel der Makerszene?
Ich denke, Open Hardware spielt in der Makerszene als formales Konzept eine weniger starke Rolle. Doch die grundsätzliche Idee dahinter, Designs, Ideen und Erfahrungen zu Herstellungsverfahren zu teilen, ist sehr lebendig und in der Szene essenziell. Dabei geht es aber weniger um formale Zertifizierung oder das Beachten von Lizenzen. Open Hardware steht also als Begriff nicht so im Mittelpunkt. Aber die Praxis des Austausches dahinter schon. Es geht stark um das Bedürfnis etwas zu zeigen. Dabei haben viele einfach nicht die Geduld, es nach Offenheitskriterien und vollumfänglich umzusetzen.

Ist das okay so oder sollte sich das ändern, braucht es da mehr Formalität?
Ich denke, dass es immer auf die Objekte ankommt. Einfache Entwicklungen aus dem Hobby-Bereich, die durch ihren Aufbau recht selbsterklärend sind, benötigen oft keine genaue Dokumentation oder die Einhaltung anderer formaler Anforderungen. Wenn es darüber hinausgeht, sieht das anders aus. Da wird einfach ein anderer Grad der Organisation benötigt. Und dafür braucht es wesentlich mehr Ressourcen.

Die Makerszene wird stark von Männern dominiert. Woran liegt das? Eigentlich ist der Begriff doch durchaus offener als der “Heimwerker”?
Offene Werkstätten und die Makerszene können so offen sein wie sie wollen: Wenn sich gesamtgesellschaftlich Rollenbilder nicht ändern und der Mann halt der Techniker ist, dann wird sich dieses Bild auch in den Werkstätten wiederspiegeln. Klar können sie Workshops nur für Mädchen organisieren. Aber wenn die dann zurück in die Schule gehen und dort das Gegenteil vorgelebt bekommen, hilft das einfach wenig. Das ändert sich nach wie vor sehr langsam, obwohl es viele Initiativen gibt.

Braucht es mehr Idole bzw. bekannte Vorbilder?
Vorbilder helfen in jedem Fall. Doch die müssen auch nah an der Lebensrealität der Menschen sein. Wenn wir nur Nobelpreisträgerinnen zeigen, denke ich mir: “Oh Gott, wie soll ich das denn schaffen? Da kommen doch nur wenige hin!” Dagegen inspiriert mich zum Beispiel die Arbeit von Anna Blumenkranz, Bleeptrack und Laura Kampf. Seit Laura ein Haus renoviert, bin ich da tatsächlich auch sehr motiviert, obwohl ich sonst recht Anti-Haus war.

Critical Making, Diversität & Commons – ein Blick in die Makerszene