13.Feb 2023

Mit Open Hardware zur unabhängigen Garnproduktion

In der ersten Runde des Prototype Fund Hardware werden sechs Projekte gefördert. In dieser Interviewserie stellen wir sie vor. Diesmal sprechen wir mit der Textildesignerin Sara Diaz Rodriguez und der Innovationsberaterin Natalija Krasnoperova, die zusammen Studio HILO gegründet haben. Zusammen entwickeln sie einen Open Source Hardware Maschinenpark für die Textilproduktion.

An was arbeitet ihr genau?
Wir bieten Bildungsangebote im Bereich der Textilproduktion an. Dazu haben wir eine Art 3D-Drucker für Garn gebaut und als Open Hardware veröffentlicht. Durch den Prototype Fund Hardware entwickeln wir zur Zeit eine Textilrecyclingmaschine. Mit der soll es möglich werden, im kleinen Stil lokal ausgediente Kleidungsstücke wieder nutzbar zu machen und sozusagen dem Produktionskreislauf erneut zuzuführen – wie unserem 3D-Drucker für Garn. Ziel ist es, einen kleinen Maschinenpark zu schaffen, der eine vollwertige lokale Textilproduktion ermöglicht.

Unser Fokus liegt darauf, unser Wissen über Textilien, das Experimentieren und unsere technischen Entwicklungen zu teilen. Das machen wir durch Workshopangebote und Trainings. Wir unterstützen also zum Beispiel Menschen darin, eine Kleinstproduktion mit Hilfe unserer Maschinen aufzubauen, erste Materialien zu produzieren und damit Textilprototypen zu entwickeln. Neben dem lokalen Recycling geht es uns also auch darum, dass Menschen niederschwellig Textilprototypen entwickeln können, um sie dann in die Produktion mit der Industrie zu bringen.

Textilmaschinen sind eine verbreitete Technologie. Welche Vision verfolgt ihr mit euren Geräten, für wen baut ihr sie?
Wir arbeiten mit ganz unterschiedlichen Menschen zusammen. Es sind Einzelpersonen, wie Textildesignende, aber auch Forschende oder ganze Forschungsinstitute, die an der Entwicklung von Textilien arbeiten. Denn wir haben immer eine Lücke zwischen dem Textilhandwerk und der Industrie gesehen. Zwischen dem heimischen Spinnrad oder Webstuhl und der Großproduktion im industriellen Maßstab, wo anlagen ganze Hallen füllen, gibt es wenig. Diese Lücke möchten wir mit unseren Maschinen schließen. Wir bilden die Anlagen der Großindustrie im kleinen Maßstab nach. So lässt sich lokal loslegen, ein Prototyp entwickeln oder im Kleinen produzieren. Der Sprung zur Großproduktion ist nicht so weit und es ist leichter, lokal zu experimentieren. Es geht also darum, die industrielle Produktion zu öffnen und einfacher zu gestalten. Ziel ist also eine unabhängige Garnproduktion zu erreichen. Denn der Industriebereich ist sehr geschlossen und voraussetzungsreich.

Was dabei entstehen kann hat sich zuletzt mit einer dänischen Designerin gezeigt. Mit ihr haben wir Garne überdreht, was bisher als ein Fehler gesehen wird. Wir haben festgestellt, dass solche Garne in Geweben verarbeitet elastischer werden. Jetzt ist die dänische Designerin an die Industrie herangetreten und hat sie beauftragt, diesen vermeintlichen Fehler zu begehen, weil sie eben zu dieser Erkenntnis im Rahmen der Kleinproduktion gekommen ist. Hier sehen wir ein großes Potenzial: Citizen Design – von den Menschen zur Industrie und nicht umgekehrt.

Ihr arbeitet schon länger an Textilmaschinen, was habt ihr aus der Zeit gelernt?
Anfangs hat niemand verstanden, wozu diese Maschinen wichtig sein könnten. Wir haben mit der Zeit gelernt, wie wir uns und die Idee besser erklären können – insbesondere gegenüber der Industrie. Bisher gibt es in diesem Bereich keinerlei Open Source Technologien. Gegenüber neuen Ideen zeigt man sich eher verschlossen. Die Textilbranche ist in der Krise und klammert sich an Altem fest. Wenn Neues entsteht, dann im Bereich der technischen Textilien, aber nicht in der klassischen Produktion von Naturfasern. Aktuell gibt es einen Generationswechsel. Hier möchten wir mitmachen.

Ihr werdet sicher häufig gefragt, wieso ihr euer Design als Open Source zur Verfügung stellt, was antwortet ihr?
Wir sind mit HILO gestartet, weil die Textilindustrie sehr geschlossen ist. Menschen verheimlichen, wo sie ihre Garne herbekommen. Es geht viel um Kampf und eine Ellenbogenmentalität, dabei ist es eine der ältesten Industrien. Wir wollten das ändern. Es geht also auch um ein neues Mindset im Textildesign. Wir haben festgestellt, dass es keinen Sinn macht, solche Maschinen geschlossen zu vermarkten. Dafür ist das Feld zu klein. Außerdem geht es ja um die Entwicklung von Ideen. Wie gestalten wir schöne, nachhaltige Kleidungsstücke? Für neue Ideen brauchen wir offene Räume. So kam unser Entschluss zustande, uns eher auf Wissensvermittlung und den Aufbau einer Community um unsere Maschinen zu konzentrieren. Durch diesen offenen, iterativen Ansatz enstehen am Ende Maschine, die wirklich gebraucht werden, die reparierbar und an die Bedürfnisse der Designenden angepasst sind.

Seid ihr auf besondere Probleme gestoßen, weil ihr euer Produkt Open Source gestaltet habt?
Eine Herausforderung ist die Dokumentation. Es ist sehr aufwendig, solche Projekte so zu dokumentieren, dass Dritte sie nachvollziehen können. Es gibt wenige Vorlagen. Geholfen hat uns zum Beispiel die DIN Spec 3105.
Ein anderes Problem ist, dass es zwar viele gute Projekte und tolle Wissensressourcen gibt. Aber oft sind sie nicht zielgruppengerecht aufbereitet. Außerdem fehlen gut aufbereitete Erfahrungswerte darüber, wie ich aus meiner Open Source Idee ein Geschäft aufbaue. Darauf haben wir viel Zeit verwendet.

Ihr habt ja inzwischen ein Geschäftsmodell: Wie sieht das aus?
Normalerweise werden im Open Source Hardware Bereich Ansätze gewählt, bei denen es um den Verkauf von Bausätzen oder Starter-Kits geht. Wir kamen schnell zu dem Schluss, dass wir eigentlich keine Maschinen produzieren und verkaufen möchten. Das hat drei Jahre gedauert. Letztendlich haben wir unser Geschäftsmodell auf Beratungsleistungen und Bildungsangebote aufgebaut. Wir begleiten also andere dabei, z.B. eine Mikroproduktion für Garn aufzubauen oder bei der Ideenentwicklung für neue Materialien oder Garndesigns.

Ihr seid schon sehr weit mit eurem Projekt: Wie können sich andere beteiligen?
Wer daran interessiert ist, mitzuarbeiten oder Verbesserungsvorschläge hat, kann sich gerne bei uns melden!

Gibt es Zukunftspläne, soll daraus mal ein Produkt werden, das ihr vertreibt?
Wir möchten einen vollständigen Open Source Maschinenpark für Textilien entwickeln, mit dem die unabhängige Herstellung vom Material bis zum Produkt möglich ist. Dazu gehört das Spinnen und Zwirnen – diese Maschinen haben wir schon -, das Kardieren (Fasern kämmen) – daran arbeiten wir gerade – und das Streckwerk (zur Faserbänderherstellung), diese Maschine fehlt uns noch. Damit möchten wir uns aktiv an der dezentralen Garnproduktion beteiligen. Perspektivisch können wir uns das auch selbst vorstellen und hier in Berlin z.B. aus Brandenburger Materialien Garne spinnen. Denn aktuell gibt es einen Garnmangel, dem wir mit solchen regionalen Produktionen begegnen können.

Mit Open Hardware zur unabhängigen Garnproduktion